Bei motion4kids widmen wir uns ja immer der Frage, wie Bewegung zum Lernen beitragen kann. Dabei dürfen wir aber einen wesentlichen Gegenspieler nicht übersehen: Stress. Denn so wie Sport beispielweise der Bildung neuer Nervenzellen förderlich ist, so hemmt der Stress diese. Aber Stress ist doch eine Managerkrankheit – was hat das mit unseren Kindern zu tun?
Zu glauben, dass Stress für Kinder nicht von Relevanz ist, ist ein Irrtum. Zwar wurde er lange als Managerkrankheit gehandelt, aber Tatsache ist, dass Stressreaktionen nicht unbedingt etwas mit Überlastung im Job zu tun haben müssen. Ein unangenehmer Sitznachbar, ein anstehendes Diktat oder ein strenger Lehrer können einen ähnlichen Effekt auf das Wohlbefinden haben, wie eine bevorstehende Aufsichtsratssitzung oder ein nörgelnder Chef.
Wie läuft die Stressreaktion im Körper ab?
Egal ob Erwachsene oder Kinder: Empfindet man Stress, schüttet der Körper Noradrenalin, Adrenalin und Cortisol aus. Herzschlag und Atmung beschleunigen sich. Blutdruck und Muskeltonus steigen. Die optimale Versorgung mit Sauerstoff, Glukose und Fetten wird sichergestellt. Man ist aufmerksamer und voll auf die Herausforderung fokussiert. Körper und Geist laufen auf Hochtouren. Ist die Situation wieder unter Kontrolle, kommt der Gegenspieler Serotonin ins Spiel und bringt uns wieder ins Gleichgewicht. Diese Abläufe begleiten uns schon seit Anfang der Menschheit und sind an sich sinnvoll, normal und überlebenswichtig.
Was kann bei der Stressreaktion schief gehen?
Fällt die Erholung nach so einer „Aufregphase“ zu kurz aus, kommt es zu chronischem Stress, einer ständigen Aktivierung der Stressachsen und einer fortdauernden Cortisolproduktion.
Cortisol, Adrenalin und Noradrenalin beeinflussen das Gleichgewicht des Immunsystems. Dadurch entsteht ein höheres Risiko für Infektionen, Krebs und Autoimmunkrankheiten wie Allergien, Multipler Sklerose oder Rheuma. Cortisol ist auch ein Gegenspieler von Insulin, dadurch kann eine Überproduktion zu Stoffwechselkrankheiten wie Diabetes führen. Laut dem amerikanischen Center for Disease Control verursacht oder verschlimmert Stress 90% aller Krankheiten und ist der Grund für 75% aller Arztbesuche.
Neben dem Körper ist das Gehirn von chronischem Stress besonders betroffen:
Entzündungsprozesse führen dazu, dass der Stoffwechsel im Gehirn nicht mehr ausgeglichen ist. Es kommt zu geringerer Leistungsfähigkeit und kognitiven Problemen. Viele Hirnareale, die uns im Zusammenhang mit dem Lernen begegnen, werden in Mitleidenschaft gezogen. Der präfrontale Kortex kann die Emotionen und die exekutiven Funktionen nicht mehr so gut kontrollieren. Die Selbstkontrolle lässt nach und die Konzentration fällt schwerer. Im Hippocampus erschwert der erhöhte Cortisolspiegel die Neurogenese und damit die Lernprozesse und die Gedächtnisbildung. Die Amygdala, unser Angstzentrum, ist in ständiger Alarmbereitschaft. Wir sind nicht nur ängstlicher, wir erleben diese Ängste auch als bedrohlicher. Es kommt zu Schlafstörungen und Depressionen.
Wirkt Stress auf jeden gleich?
Nein. Wenn man davon ausgeht, dass die Stressreaktionen des Körpers bei der Bewältigung schwieriger Situationen unterstützend und hilfreich sind, verengen sich die Blutgefäße weniger und damit steigt die Leistungsfähigkeit des Herzens. Es wird auch weniger Cortisol ausgeschüttet. Bei einer negativen Einstellung zu Stress passiert das nicht und es kann beispielsweise hier leichter zu einem Herzinfarkt kommen. Aus der Kombination von viel empfundenen Stress und der negativen Einschätzung der Auswirkungen ergibt sich ein um 43% erhöhtes Sterberisiko. Welche Folgen Stress für uns hat, hängt also stark von der individuellen Einstellung ab.
Was kann man gegen Stress tun?
Typischerweise endet ein stressiger Tag auf der Couch, TikTok am Handy und Anime am Fernseher. Das fühlt sich momentan zwar richtig gut an, verdrängt aber Probleme statt sie zu lösen.
Ganz toll gegen Stress wirkt hingegen Meditation. Sie verhilft zu erhöhter Aufmerksamkeit, Bewusstheit, Wachheit. Vermutlich synchronisiert sie verschiedene Hirnbereiche. Und das lässt sich trainieren und erlernen. „Man wird klar im Kopf und empfindet alles harmonisch als Einheit. Meditation verändert Struktur und Funktion des Gehirns.“* Im Körper verändert sich nach acht Wochen nachweisbar die Aktivität von 172 Genen, die für die Entzündungsregulation, den Tag-Nacht-Rhythmus, den Glukose – Stoffwechsel und die Blutdrucksenkung zuständig sind.
Klingt toll. Aber Meditation ist schon für Erwachsene eine Herausforderung. Kaum sitzt man, schon juckt die Nase, zwickt das Knie! Wie sollen das die Kinder schaffen?
Auch hier hilft wieder Bewegung: Alternative Formen sind beispielsweise die Gehmeditation, bei der man seinen Atem beobachten kann. Oder man nimmt sich vor, beim Spazierengehen genau auf alle Geräusche oder Gerüche zu achten.
Besonders gut funktioniert das übrigens im Wald: "Shinrin Yoku", wie das Waldbaden in Japan heißt, ist eine anerkannte Stress-Management-Methode. Man geht davon aus, dass durch das Einatmen der ätherischen Öle der Bäume auch das Immunsystem gestärkt wird. Studien bestätigen, dass das Waldbaden Angstzustände, Depressionen und Wut dämpft und Stresshormone reduziert.
Vor dem Einschlafen kann man es auch mit einer geführten Traumreise probieren. Die gibt es gratis als App und sie erleichtert das Hinübergleiten in einen erholsamen Schlaf ungemein. Und der ist ja so wichtig für den Stressabbau.
Von Mag. Barbara Fisa, MPH