Login

Corona und die Bildungsschere - Neues Jahr, neues Glück

Letztes Jahr um diese Zeit hätte sich wohl niemand von uns träumen lassen, dass wir heute noch immer in dieser Situation sind. Dass wir den nächsten Lockdown diskutieren, überlegen, ob die Kindergärten, die Schulen offen bleiben werden, ob Fussball-, Turn- und Tanzvereine in die nächste Saison starten können. Und doch ist es so. Zwei wesentliche Faktoren für die Gesundheit, die Zukunft und das generelle Wohlergehen der jungen Generation stehen wiedermal zur Diskussion: Bildung und Bewegung.

Und das, obwohl sie in den letzten Monaten bereits massiv in Mitleidenschaft gezogen wurden und zu den heftigsten Kollateralschäden der Corona-Pandemie und der damit einhergehenden Schutzmaßnahmen gehören.

Das 8. Kinder- und Jugendgesundheitssymposium kam im November zur Erkenntnis, dass im internationalen Vergleich die Schulschließungen nicht mit dem Infektionsgeschehen, sehr wohl dafür aber mit den PISA-Studien-Werten korrelierten: Die Staaten mit den schlechtesten PISA–Werten hatten die längsten Schulschließungen. Das wirft die Frage nach der Wertigkeit der Bildung in den jeweiligen Ländern auf.

Eine Studie von Bujard et al. konstatiert: „Bereits Kinder im Vorschulalter sind von den Schließungen der Betreuungseinrichtungen in ihrem Lernen betroffen. Kinder in diesem Alter lernen durch soziale Interaktion im familiären Kreis und im sozialen Umfeld. Besonders deutlich wird dies beim Spracherwerb, der in einem Zeitfenster ungefähr vom dritten bis zum siebten Lebensjahr stattfindet. Erfahrungen, die in diesem Lebensalter nicht gemacht wurden, lassen sich nur sehr schwer oder überhaupt nicht mehr kompensieren.“ [1]

Aber auch für ältere Kinder bedeuten die Schulschließungen einen weitreichenden Eingriff in ihr Leben: Keine Bewegung am Schulweg, kein tägliches Treffen mit Freunden, keine Struktur im Alltag. Aber auch kein „offizielles“ Ende des Lernens und der Schule, sondern genau wie für uns Erwachsenen im Homeoffice, ein Verschwimmen der Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit. Statt 30 Wochenstunden einer „normalen“ Schulwochen lernten Kinder im ersten Lockdown nur noch 16. Die Lernerfolge verhielten sich direkt proportional.

Im Zusammenhang mit den Schulschließungen ist besonders der Aspekt des Distance Learnings zu beachten: Während Lehrer damit beschäftigt sind, Online-Material zu entwickeln, fällt den Eltern oft genug die Aufgabe des tatsächlichen Unterrichtens zu. Daraus resultieren Probleme, bedingt durch die unterschiedlichen Möglichkeiten und Voraussetzungen: Platzmangel, fehlende Sprachkenntnisse, digitales Know-How und Infrastruktur, begrenzte zeitliche Ressourcen.[2] Insgesamt 14 % der Eltern mit akademischem Bildungshintergrund - im Vergleich zu 31 % der Eltern ohne - waren der Meinung, dass ihre Fähigkeiten eher nicht oder überhaupt nicht ausreichten. [3]

All das führt dazu, dass die Bildungsschere durch die Lockdowns noch weiter aufgeht.

Zu den alarmierendsten Ergebnissen gehört, dass die Schüler die Lernfreude verlieren, sie verzweifelt sind und sich Sorgen um die Zukunft machen. Diese psychischen Belastungen machen sich bei sozial Schwächeren noch stärker bemerkbar.

So analysierte auch Martin Sprenger insbesondere angesichts der Tatsache, dass Kinder und Jugendliche nur asymptomatisch oder mild erkranken, im September letzten Jahres: „Während skandinavische Länder vor allem die Kindergärten und Volksschulen fast vollständig in Ruhe gelassen haben, setzt Österreich auf eine … einzigartige Teststrategie. Am Ende wird Österreich wohl über eine halbe Milliarde Euro für Testungen in Bildungseinrichtungen ausgegeben haben…Was könnte mit diesem Geld alles gemacht werden, um unseren Kindern und Jugendlichen ein gesundes Aufwachsen zu ermöglichen, unser Bildungssystem zu einem der Besten Europas zu machen?“

Eine weitere Keymessage des Symposiums, die man nicht laut und oft genug wiederholen kann, ist, dass Sport ein wesentlicher Bestandteil, nicht nur der physischen, sondern vor allem auch der psychischen Gesundheit ist.

Ein positiver Aspekt der Corona-Pandemie hingegen ist die Erprobung alternativer Arbeits- und Kommunikationsformen und der damit voranschreitenden Digitalisierung. Schüler werden mit Laptops ausgestattet und das Fach „Digitale Grundbildung“ nimmt als Pflichtgegenstand Einzug in die Schulen: All das Maßnahmen, die vielleicht einem weiteren Aufgehen der Bildungsschere entgegenwirken können.

Angesichts dieser – und zukünftiger – Entwicklungen nehmen wir unser Ziel, Bildung durch den Einsatz von Bewegung und Digitalisierung zu fördern, umso wichtiger: Neues Jahr – neues Glück!

Mag. Barbara Fisa, MPH, studierte erst Handelswissenschaften bevor sie ihre Leidenschaft für Sport, gesunde Ernährung und Entspannung zu Public Health brachte. Sie versteht sich als Vermittlerin von Wissenschaft, ist Beraterin, Keynote-Speakerin und Autorin („Raus aus der Pflegefalle“ gemeinsam mit Prof. Dr. Bachl und Dr. Biach im Springer Verlag). Sie arbeitet an Systemen zur Bewegungsförderung für Menschen nach der Pensionierung, dem „Best-Agers-Bonuspass“, und berät die Stiftung motion4Kids. Nähere Informationen unter thehealthychoice.at


[1] Bujard, M., von den Driesch, E., Ruckdeschel, K., LAß, I. N. G. A., Thönnissen, C., Schumann, A., & Schneider, N. F. (2021). Belastungen von Kindern, Jugendlichen und Eltern in der Corona-Pandemie. BiB. Bevölkerungs. Studien, 2.

 

[2] Goudeau, S., Sanrey, C., Stanczak, A., Manstead, A., & Darnon, C. (2021). Why lockdown and distance learning during the COVID-19 pandemic are likely to increase the social class achievement gap. Nature human behaviour, 5(10), 1273-1281.

 

[3] Bujard, M., von den Driesch, E., Ruckdeschel, K., LAß, I. N. G. A., Thönnissen, C., Schumann, A., & Schneider, N. F. (2021). Belastungen von Kindern, Jugendlichen und Eltern in der Corona-Pandemie. BiB. Bevölkerungs. Studien, 2.

 

Menü