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Anti-Diät-Tag, NOVA-Score und eine Prise Zauberei - Familienessen statt Family Pizza

Am 6.5 war der „Internationale Anti-Diät-Tag“. Angesichts der aktuellen Entwicklungen von Übergewicht und Adipositas mag das durchaus verwundertes Kopfschütteln hervorrufen: Im WHO European Regional Obesity Report 2022 werden Übergewicht und Adipositas als der viertwichtigste Auslöser (nach Bluthochdruck, ernährungsbedingte Risiken und Tabakkonsum) für Nicht-Übertragbare Krankheiten genannt. Mehr als die Hälfte aller Erwachsenen und fast ein Drittel der Kinder sind in der WHO-Region davon betroffen. Wie kann es angesichts dieser Situation denn sein, dass hier ein Antidiät-Tag ausgerufen wird?

Vielleicht deswegen, weil Diäten, abgesehen von den nicht unbeträchtlichen Nebenwirkungen wie Essstörungen und massiven Gewinnen der Diätproduktehersteller, meistens nicht nur ungesund und teuer, sondern auch völlig sinnlos sind. 

Faktoren, die hingegen helfen können, sind Bildung, das richtige soziale Umfeld, ein langer Atem und ein wenig Zauberei. Besonders wichtig sind in diesem Zusammenhang die Familie und die Organisation des Alltags. Wenn die Zeit oder der Wille zum Kochen fehlen, führt das häufig zu unkontrolliertem Snacken. Hier sind auch die Eltern als Vorbilder und als Wissensvermittler gefragt. Wer selbst nur im Laufschritt einen Coffee-to-go hinunterstürzt und angesichts eines Karfiolrezeptes verzweifelt die Tiefkühlpizza ins Rohr wirft, kann von seinen Kindern kaum erwarten, dass sie verstehen, wie wichtig ein ausgewogenes Frühstück ist oder kochen können. Und wichtig ist es, das Frühstück: Kinder, die frühstücken, haben nicht nur eine geringere Wahrscheinlichkeit für Übergewicht, sie sind auch besser in der Schule. Bemerkung am Rande: In Österreich kommt jedes vierte Kind ohne Frühstück in die Schule. Generell kann man das gemeinsame Essen in der Familie nicht hoch genug schätzen: Eine Studie aus dem Jahr 2011 belegt, dass Kinder, die drei Mal oder öfter pro Woche mit ihrer Familie essen, eher normalgewichtig sind und gesündere Ernährungs– und Essgewohnheiten entwickeln. Auch hier zeigt sich, dass unter diesen Voraussetzungen vor allem Teenager auch besser in der Schule performen.

Ungerecht scheint auf den ersten Blick auch, dass Familien mit geringerem Einkommen und niedrigerem Bildungsniveau, Kinder von Alleinerziehenden und Einzelkinder deutlich öfter von Übergewicht oder Adipositas betroffen sind. Kinder, deren Eltern übergewichtig sind, haben überdies ein höheres Risiko, übergewichtig zu werden – und zu bleiben. Angesichts der oben dargelegten Zusammenhänge bezüglich Bildung, Einkommen und Zeitbudget sind diese Resultate allerdings kaum überraschend. 

Dazu kommt noch das stetig größer werdende Angebot an verführerischen und ständig verfügbaren Lebensmitteln. Als wenn das normale Sortiment nicht schon überwältigend genug wäre, fällt es bei sogenannten Kinderlebensmitteln noch einmal üppiger aus: Sie werben mit Slogans wie „mit guter Milch, besonders viel Kalzium, kein Zucker zugesetzt, so wertvoll wie ein kleines Stück Fleisch, rosa gefärbt, handlich verpackt, mit Vitamin D“ - der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Tatsächlich zeigt ein Test der Arbeiterkammer, dass fast alle Kinderlebensmittel hochverarbeitet sind und sich damit laut WHO negativ auf eine gesunde Lebenserwartung auswirken. Der Nova-Score misst auf einer Skala von 1 bis 4 den Verarbeitungsgrad: 1 ist mehr oder weniger naturbelassen, wohingegen 4 einen hohen Verarbeitungsgrad anzeigt. 95 Prozent der Testprodukte schneiden in diesem Test auf Grund von minderwertigen Zutaten (z.B. Palmfett, Zucker, Salz) mit einem Nova-Score von 4 ab. 80 Prozent der Produkte sind aromatisiert, was sich gerade in der Kindheit negativ auf die Geschmacksentwicklung auswirkt. Um es kurz zu machen: Kinderlebensmittel sollten keinesfalls von Kindern konsumiert werden.

Was hilft ist also: selbst kochen. Regelmäßig und gemeinsam essen. Das Frühstück nicht auslassen. Kleine Zaubertricks wie kleinere Teller verwenden. Beispielsweise führt auch wenig Farbkontrast zwischen Teller und Essen dazu, 30 Prozent mehr zu essen. Also: Karfiol auf den weißen Teller, Nudeln auf den blauen. Mini - Challenges wie jede Woche einen Tag ohne Snacks und Zucker. Oder ein bisschen Mathematik: Portionen um 10 Prozent verkleinern oder nur essen, bis man zu 80 Prozent voll ist, „Hara hachi bu“ nennt man das in Japan. Und: Weg mit der Waage, sie ist kein guter Ratgeber, sondern frustriert nur. Stattdessen her mit dem Maßband und drei Körperstellen (z.B.: Bauch, Taille, Hüfte) regelmäßig messen. Am besten an sucht sich ein markantes Landmark wie ein Muttermal oder eine Narbe als Fixpunkt. 

Und natürlich Bewegung. Sport wirkt vielschichtig gegen Übergewicht: Ganz offensichtlich verbrennt man dabei Kalorien. Sport unterstützt aber auch die Gehirnverknüpfungen in der Amygdala und im präfrontalen Kortex, die für eine bessere Kontrolle von Impulsen und Emotionen zuständig sind. Bewegt man sich, werden Endorphine ausgeschüttet, die ihrerseits die Stimmung heben und Depression und Angstzustände reduzieren. Außerdem ist Sport gut gegen chronischen Stress, weil er den Kortisolspiegel senkt. 

Kommt dann noch Spaß dazu, wie z.B. mit Interaction motion4kids (www.rudy-games.com), steht einem gesunden Leben ohne Diätstress nichts mehr entgegen.

 

Mag. Barbara Fisa, MPH, studierte erst Handelswissenschaften bevor sie ihre Leidenschaft für Sport, gesunde Ernährung und Entspannung zu Public Health brachte. Sie versteht sich als Vermittlerin von Wissenschaft, ist Beraterin, Keynote-Speakerin und Autorin („Raus aus der Pflegefalle“ gemeinsam mit Prof. Dr. Bachl und Dr. Biach im Springer Verlag; link.springer.com/book/10.1007/978-3-662-63396-0). Sie arbeitet an Systemen zur Förderung eines gesunden Lebensstils für Menschen nach der Pensionierung, dem „Best Agers Bonus Pass“, und berät die Stiftung motion4Kids. Nähere Informationen unter thehealthychoice.at 

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