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Cyberbullying im Safe Space - Zwischen Stress Awareness Month und Mental Health Week

Im April hat der Monat des Stressbewusstseins, jetzt im Mai die European Mental Health Week stattgefunden. Neben altbekannten Stresssituationen im Zusammenhang mit Schule, Eltern und Freunden kam gerade in den letzten Jahren für Kinder und Jugendliche noch viel Neues hinzu: Klimakrise, Kriege und die durch die neuen Technologien verursachte Informationsflut mit all ihren Nebenerscheinungen.

So identifiziert die eben veröffentlichte HBSC-Studie (Health Behaviour in School-aged Children[i]) einen noch relativ neuen Stressor namens Cyberbullying: In ihrer zweiten Auflage befragte sie in Kooperation mit der WHO 279.000 Kinder und Jugendliche zwischen 11 und 15 Jahren in 44 Ländern. Während die Häufigkeit des Live-Bullying stabil blieb, erfuhr das Cyber-Bullying einen enormen Aufschwung: Eines von sechs Kinder berichtet, Opfer von solchen Attacken zu sein, egal ob Burschen oder Mädchen. Wobei sowohl die Anzahl der Täter (Burschen von elf auf 14 Prozent; Mädchen sieben auf neun Prozent) als auch der Opfer steigt:  Bei den Buben von 12 auf 15 Prozent und den Mädchen von 13 auf 16 Prozent. Das perfide am Cyber-Bullying ist, dass es die Opfer bis in ihre vermeintlich sicheren eigenen vier Wände begleitet. Dr Hans Henri P. Kluge, Europadirektor der WHO, verweist darauf, dass selbst geringe Verbesserungen hier großen Wert hätten, wenn man bedenkt, dass junge Leute bis zu sechs Stunden täglich online verbringen.

Chronischer Stress begünstigt Krebs und Autoimmunkrankheiten wie Allergien, Multiple Sklerose, Rheuma oder Stoffwechselkrankheiten wie Diabetes. Stress verursacht 90 Prozent aller Krankheiten, und ist laut dem Center for Disease Control Grund für 75 Prozent aller Arztbesuche.  Auch unser Gehirn bleibt nicht verschont: Stress löst hier Entzündungsprozesse aus, die den Stoffwechsel aus dem Ruder laufen lassen. Dadurch haben wir eine geringere Leistungsfähigkeit und kognitive Probleme. Der präfrontale Kortex wird in Mitleidenschaft gezogen, die Selbstkontrolle und Konzentration wird schlechter. Dazu kommt noch, dass auch der Hippocampus nicht verschont bleibt und sich die Nervenneubildung verschlechtert, was sich unmittelbar auf Lernen und Gedächtnis auswirkt. Zusätzlich läuft die Amygdala, unser Angstzentrum auf Hochtouren, wir sind in ständiger Alarmbereitschaft: Wir sind nicht nur ängstlicher, sondern wir erleben diese Ängste auch noch als bedrohlicher. Ein idealer Nährboden für Schlafstörungen und Depressionen.

Wie wir Stress erleben, hat viel mit unserer Einstellung zu tun. Mit einer positiven Einstellung wird die Stressreaktion, jedenfalls in normalen Stresssituationen wie Schule etc. so verstanden, wie sie eigentlich geplant war:  unterstützend und hilfreich. Erstaunlicherweise hat dieses Mindset auch unmittelbare körperliche Auswirkungen: Die Blutgefäße verengen sich weniger, die Leistungsfähigkeit des Herzens steigt und es wird weniger Cortisol ausgeschüttet. Das Gegenteil passiert bei einer negativen Einstellung: Hier erhöht diese Kombination von viel empfundenen Stress und der negativen Einschätzung der Auswirkungen das Sterberisiko um satte 43 Prozent.

Der andere Einflussfaktor sind unsere Copingmechanismen, also wie unser Gehirn mit Stress umgeht. Bedauerlicherweise haben viele Kinder und Jugendliche diesbezüglich durch die Pandemie einen Nachteil erlitten: Ihre Gehirne sind durch diese anhaltende Stresssituation um etliche Jahre gealtert und ältere Gehirne kommen mit Stress schlechter zurecht als jüngere. [ii] Hilfreich beim Coping sind Faktoren wie Ernährung, Atmung, Entspannungstechniken und soziale Einbindung. Und natürlich: Bewegung und Sport, am besten im aeroben Bereich. Die ausgeschütteten Endorphine erzeugen Wohlbefinden: Man empfindet weniger Angst, das Stresshormon Cortisol und der Blutdruck sinkt, das Immunsystem wird stärker. BDNF (Brain Derived Neutropic Factor), der Botenstoff für Serotonin und Dopamin sorgt für Glücksempfinden.  Der präfrontale Kortex (PFC), in dem sich das Gedankenkreisen abspielt, wird beim Sport heruntergefahren und die Denkprozesse verlagern sich von dort in das „Ruhestandnetzwerk“, der PFC kann sich erholen und die Kreativität mit ihrer Problemlösungskompetenz im Unterbewusstsein wird angekurbelt.

Ein Projekt der Bildungsstiftung motion4kids, das viele dieser Aspekte abdeckt, ist der GEDS Dschungel im Wiener Prater: Acht Stationen fördern mit viel Spaß Fitness, Konzentration und Gesundheit. Wenn allerdings diese Copingmechanismen alle nicht ausreichen, darf man nicht zögern, professionelle Hilfe zu holen, so zum Beispiel bei Gesund aus der Krise[iii], Rat auf Draht (147) und Mental Health Days in Schulen[iv].

 

Mag. Barbara Fisa, MPH, studierte erst Handelswissenschaften bevor sie ihre Leidenschaft für Sport, gesunde Ernährung und Entspannung zu Public Health brachte. Sie versteht sich als Vermittlerin von Wissenschaft, ist Beraterin, Keynote-Speakerin und Autorin („Raus aus der Pflegefalle“ Fisa, Bachl , Biach; Springer Verlag;). Sie arbeitet an Systemen zur Förderung eines gesunden Lebensstils für Menschen nach der Pensionierung, dem „Best Agers Bonus Pass“, und berät die Stiftung motion4Kids. Nebenbei unterrichtet sie als @yoguardian Kleinstgruppen in Vinyasa Flow-Yoga. Nähere Informationen unter thehealthychoice.at


[i] www.who.int/europe/news/item/27-03-2024-one-in-six-school-aged-children-experiences-cyberbullying--finds-new-who-europe-study

[ii] Gotlib, I. H., Miller, J. G., Borchers, L. R., Coury, S. M., Costello, L. A., Garcia, J. M., & Ho, T. C. (2023). Effects of the COVID-19 pandemic on mental health and brain maturation in adolescents: Implications for analyzing longitudinal data. Biological psychiatry global open science, 3(4), 912-918.

[iii] gesundausderkrise.at

[iv] www.mentalhealthdays.eu

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